Das gemeinschaftliche Ehegattentestament
„Sie feierten Hochzeit und lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Ende.“ – Und dann? Wo das Märchen stets abbricht, beginnt im realen Leben oft eine schier unendliche Geschichte…
Ohne letztwillige Verfügung formt der Gesetzgeber eine sogenannte „Erbengemeinschaft“. Diese Gruppe Erbberechtigter verwaltet gemeinsam den Nachlass. Daraus steht zwar jedem ein gewisser Vermögensanteil zu, aber niemandem ein konkreter Sachwert. Nachlassstreitigkeiten unter den Angehörigen sind daher oft vorprogrammiert. Das Fehlen der alleinigen Verfügungsgewalt über das Erbe kann für den weiterlebenden Partner sogar finanzielle Risiken bergen. Manchmal ist er so nicht ausreichend versorgt oder im Sinne der Nachlassteilung sogar zur Veräußerung seines Wohneigentums gezwungen. Befindet sich ein Unternehmen im Nachlass, wird es nicht selten vorübergehend handlungsunfähig.
Es fallen selbstverständlich auch Erbschaftsteuern an. Diese könnte man aber nur durch kluges Taktieren mindern. Im Angesicht solch trüber Szenarien wirkt eine rechtzeitige testamentarische Regelung der Erbfolge schlussendlich vergleichsweise aufheiternd. Formale Gestaltung und Besonderheiten. Ein gemeinschaftliches Ehegattentestament können Ehegatten und gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartner aufsetzten (§ 2265 BGB und § 10 Abs. 4 Lebenspartnerschaftsgesetz). Verlobte oder nichteheliche Lebensgemeinschaften haben dieses Recht nicht. Wer die Kosten des Notars einsparen möchte, der darf sein Testament auch in privatschriftlicher Form errichten, also ohne fachmännische Hilfe. Egal ob auf Toilettenpapier oder Bierdeckel – entscheidend ist, dass es handschriftlich von einem der Partner erstellt und von beiden mit Vor- und Nachnamen unterschrieben wurde. Auch Ort und Datum der Erstellung sind wichtig (§ 2267 BGB). Ein unterzeichneter Computerausdruck ist ungültig. Um Schwierigkeiten bei der Auslegung zu vermeiden, sollte das Testament kein loser Blätterhaufen sein, sondern ein äußerlich einheitliches Schriftstück. Das Besondere am gemeinschaftlichen Ehegattentestament ist, dass gegenseitig rechtlich bindende (wechselbezügliche) Elemente darin enthalten sein können, aber nicht müssen. Jede ihrer eigenen Weisungen im Testament können beide Eheleute jederzeit zurücknehmen, solange ihr Partner am Leben ist. Gemeinsam können sie aber auch die fixierten wechselbezüglichen Weisungen ändern. Wenn einer der Partner das gemeinschaftliche Ehegattentestament auflösen möchte, so geht auch das. In diesem Fall muss aber der andere Ehegatte offiziell benachrichtigt werden. Bei Scheidung oder Antrag auf Scheidung und ohne getroffene Ausnahmeregelungen wird das Testament von allein ungültig. Auch andere Verfehlungen, zum Beispiel in der formalen Gestaltung, können zum Lösen der rechtlichen Bindungen führen. Zweck der sogenannten „Bindungswirkung“ ist es, Änderungen an den wechselbezüglichen Teilen des Testaments nach dem Ableben eines der Partner zu verhindern. So bleibt nur das Ausschlagen des Erbes oder das Anfechten des Ehegattentestaments als letzter Ausweg.
Arten
Je nach dem verfolgten Zweck gibt es zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten für ein Ehegattentestament. Das sogenannte „Berliner Testament“ ist mit seinen beiden Ausprägungen „Trennungsprinzip“ und „Einheitsprinzip“ die bekannteste. Falls die Absicht des Erblassers nicht klar erkennbar ist oder keine letztwillige Verfügung existiert, gilt das zuletzt genannte.
Der Ehegatte als Vorerbe (Trennungsprinzip)
Bei dieser Regelung setzt jeder der Eheleute seinen Partner als Alleinerben ein. Stirbt einer der beiden, wird der andere zum Vorerben des Nachlasses (N1). Ein Dritter, zumeist das gemeinsame Kind, wird zum Nacherben. Stirbt auch der zweite Partner (N2), so erbt der eingesetzte Dritte zweimal (N1+N2). Er wird als Nacherbe des Erstverstorbenen und Vollerbe des Zweitverstorbenen insgesamt also zum Schlusserben. Der Sinn und gleichsam Vorteil dieser Regelung liegt im Erhalt und der Sicherung des Erbes für den Dritten. Die finanzverwalterischen (Un)Fähigkeiten des Vorerben spielen keine Rolle. Zudem bleibt das gemeinsame Vermögen in der eigenen Familie. Das Erbe kann nämlich bei Wiederverheiratung des Überlebenden nicht an seinen neuen Partner weitervererbt werden. Der krasseste Nachteil liegt in den starken Verfügungsbeschränkungen des Erbes. Oft wird der Familienfrieden zwischen Vor- und Nacherben dadurch auf eine harte Probe gestellt. Bei Umständen wie Pflegebedürftigkeit oder Liquiditätsengpässen wird das Dilemma der „Erben auf Krücken“ besonders deutlich. Ebenfalls ungünstig sind die als Doppelbelastung anfallenden Erbschaftsteuern beim Vor- und Nacherbfall. Der Ehegatte als Alleinerbe (Einheitsprinzip):
Auch bei dieser Regelung setzt jeder der Eheleute seinen Partner als Alleinerben ein. Der Überlebende erbt beim Tod des Ehegatten uneingeschränkt (N1 + Eigenvermögen). Der Dritte wird nur Erbe des Letztversterbenden (N2 gesamt). Der gesamte Nachlass geht also in einem Erbgang auf den Dritten über und macht ihn zum Schlusserben. Von Vorteil ist das uneingeschränkte Verwalten, Nutzen und Veräußern des Nachlassvermögens für den überlebenden Ehegatten. Sein Lebensstandard ist gesichert und Erbauseinandersetzungen gibt es nicht. Weiterhin ist abgesichert, dass das Erbe beider Ehegatten auf die gemeinsamen Kinder oder einen Dritten übergeht. Zu den vielen Nachteilen gehört, dass die Kinder beim ersten Erbfall als Enterbte leer ausgehen. Deshalb können sie Pflichtteilsansprüche einklagen (§§ 2303 ff. BGB). Unter Umständen verursacht das Auszahlen der Pflichtteile beim überlebenden Ehegatten Liquiditätsprobleme. Da es sich letztlich wieder um zwei Erbfälle handelt, ist auch diese Lösung kein „Erbschaftsteuersparmodell“. Bei größeren Nachlässen stellt sie sogar eine Steuerfalle dar. Der Ehegatte als Vermächtnisnehmer: Eine weitere Alternative ist die Kombination der Erbeinsetzung mit Vermächtnis. Dritte, also wahrscheinlich die Kinder, werden als Erben eingesetzt. Dem Ehepartner hingegen kommt ein Vermächtnis zu, zum Beispiel in Form von Geld oder einem Nießbrauchsrecht (Wohnrecht).
Von Vorteil für den überlebenden Ehegatten ist es, dass kaum oder keine Pflichtteilsrechte gegen ihn geltend gemacht werden können. Trotzdem ist er finanziell relativ gut abgesichert. Auch das Entstehen einer Erbengemeinschaft wird dank dieser Regelung verhindert. Nachteilig für den Hinterbliebenen ist es, dass er über die Nachlassgegenstände weder verfügen noch sie belasten kann. Stolpersteine: Damit weder die Bedachten noch Dritte über unklare Formulierungen stolpern, sollten beim gemeinschaftlichen Ehegattentestament vorsorglich auch Ausnahmesituationen geregelt werden: Gleichzeitiger Tod: Wenn beide Ehepartner zugleich oder kurz nacheinander sterben, etwa bei einem Unfall, kann keiner den anderen beerben. Sinnvoll ist daher ein Zusatz wie: „Sollten wir gemeinsam oder kurz hintereinander versterben oder in gemeinsamer Gefahr umkommen, dann sollen folgende Personen erben“. Teilungsanordnungen: Nach deutschem Erbrecht können Erbstücke den Bedachten nur über die Erbengemeinschaft zugewiesen werden. Um Erbstreitigkeiten und zeitraubende Entscheidungen des Nachlassgerichts zu vermeiden, benennen Sie Ihre Erben und bezeichnen Sie genau deren Erbquote.
Pflichtteilsregelungen: Um Pflichtteilsansprüche und damit steuerpflichtige Entnahmen zu vermeiden, sollten Sie zukünftigen Erben zu Lebzeiten eine Abfindung anbieten. Im Gegenzug verzichten diese auf ihren Pflichtteil. Das ist besonders bei Ehepaaren mit Kindern aus verschiedenen Ehen sinnvoll. Scheidung: Es sollte eindeutig klargestellt werden, welche Testamentsverfügungen wechselbezüglich sind und ob diese im Scheidungsfall in Kraft bleiben oder das gesamte Testament unwirksam wird. Testamentarische Wiederverheiratungsklausel: Sollte der verwitwete Partner erneut heiraten, würde ohne geltende Wiederverheiratungsklausel der neue Ehegatte an dessen Nachlass erb- und pflichtteilsberechtigt. Damit würde der spätere Nachlass eingesetzter Schlusserben (zum Beispiel der Kinder) geschmälert. So aber wird das Eigenvermögen des Überlebenden rechtlich vom Nachlass getrennt und diese Situation vermieden. Testamentsregelungen bei Eheschließung? Bei einem gemeinsamen Ehegattentestament macht das nur dann Sinn, wenn bereits vorhandenes, bedeutendes Vermögen geschützt werden soll. In allen übrigen Fällen sollte das Testament bei sich ändernden Umständen in der Familien- und Vermögensentwicklung immer wieder neu angepasst werden. Anerkennung im Ausland: Gemeinschaftliche Ehegattentestamente besitzen international nicht überall Gültigkeit. Daher sollte sich jeder Deutsche mit Vermögen im Ausland oder mit einem ausländischen Ehepartner durch einen Fachanwalt für Erbrecht beraten lassen.
Fazit: Wer keine letztwillige Verfügung errichtet, zum Beispiel in Form eines gemeinschaftlichenEhegattentestaments, der kann nach seinem Ableben bei der Nachlassregelung auch nicht mitentscheiden. Wem das aber wichtig ist, um unangenehme Überraschungen für die Hinterbliebenen zu vermeiden, der sollte vorsorglich etwas Zeit in klare Regelungen investieren. Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten, seine Erbfolge selbst zu regeln oder regeln zu lassen. Aber Achtung: „Es prüfe öfter, wer sich testamentarisch bindet, welche passende Regelung sich findet!“